Mittwoch, Januar 05, 2005

Die Sage vom Stundenhorn


Eine Sage über den Umgang mit der Zeit in längst vergangenen Zeiten, als die Zeit noch relativ war.

In alter Zeit gab es auf den Nürnberger Kirchen und Türmen noch keine Uhren mit Schlagwerken. Weil es aber auch noch keine Taschenuhren gab, richteten sich die Nürnberger, wie damals alle Welt, nach der Sonne. Aber da gab es manche Meinungsverschiedenheiten. Und es war nicht leicht, die Zeit für ein Zusammentreffen auszumachen.
Einmal während eines glänzenden Reichstages im Jahre 1487 war Nürnberg voll von Fürsten und Rittern mit ihren Knechten. Der Markgraf von Ansbach hatte allein 700 Berittene dabei. Die Fremden waren in der Stadt einquartiert. Da gab es Feste und Turniere, aber jeden Tag mußte man auf Leute warten, die zu spät kamen. Da gab der Kaiser Friedrich III den Befehl, auf dem Sinwellturm ein großes zinnernes Horn anzubringen, das aussah wie eine große Orgelpfeife und das man mit einem Blasbalg treten konnte. Ein Mann wurde auf dem Turm angestellt, der mußte alle Stunden das Horn blasen. Die tiefe Orgelstimme des "Stundenhorns" klang über die ganze Stadt hin und über die Mauern hinaus bis in die Wälder. Von da an konnte keiner der Herren und keiner der Knechte mehr sagen, wenn er zu spät kam: "Ich habe nicht gewußt, wie spät es war!"